„Wo kämen wir denn da hin?“

Erstellt von Sarah-Allegra | | Geschichten & Personen

Es gibt Anekdoten, die werden von einer Generation an die nächste weitererzählt — oft mit einem Schmunzeln und Augenzwinkern. So wie die Geschichte, die uns August Huber aus Hargelsberg geschickt hat. Sie handelt von seinem Urgroßvater Josef Huber, Bischof Rudigier, seiner Kutsche und einer Kapelle. Und was das alles mit dem Mariendom zu tun hat, erzählt August Huber bei uns am Blog.

© privat

Niederschrift einer Erzählung des Karl Kremsberger, ehemals beschäftigt bei meinem Urgroßvater Josef Huber, dem Erbauer der Kapelle.

Als 10-Jähriger hörte ich erstmals diese Geschichte, Kremsberger erzählte sie mir öfter im Laufe von Jahrzehnten. Sie war immer gleich im Inhalt.

Die Kapelle hier bei uns am Hof in Hargelsberg wurde um 1868 gebaut, so die Erinnerungstafel an der Stirnseite des Bauwerks. Zu dieser Zeit gab es in unserer Gegend eher Bildstock-Kapellen und es gab wenige Kapellen mit Innenraum und Kirchengestühl.

Mit der Kutsche unterwegs zur Firmung in Steyr

Die alte Hauptstraße von Linz nach Steyr führte direkt durch unser Dorf an der Kapelle vorbei. Bischof Franz Joseph Rudigier fuhr mit seiner noblen Kutsche, gezogen von zwei leichten Pferden, mehrmals im Jahr bei unserem Haus vorbei. Ziel waren die Stadtpfarrkirche und die Michaelerkirche in Steyr, wo er die Firmung vornahm. Auf den Feldern, die die Straße säumten, waren zu dieser Jahreszeit – etwa um Pfingsten – die Dienstboten, Knechte und Mägde mit den Heu-Erntearbeiten beschäftigt. Urgroßvater Josef wusste ungefähr, wann Bischof Rudigier mit seinem Sekretär in dem noblen Gefährt des Weges kommen würde.

Die Arbeiter nahmen Haltung an, nahmen den Hut vom Haupt und legten das Werkzeug ab. Die Frauen knieten nieder und falteten die Hände, als würden sie beten. Sicher war aber auch Neugier dabei.

Der Bauer Josef Huber und sein Pferdeknecht gingen routiniert „in die Pferde“, so der Ausdruck, wenn jemand mit Gewalt das Pferdegespann zum Stehenbleiben zwang.

Und so ist es auch geschehen bei dieser Begebenheit etwa anno 1870. Die Rösser blieben stehen, der Kutscher schrie „fuchsteufelswild“, die Männer sollen sofort von der Straße verschwinden, man solle doch schon in Steyr sein. Der Knecht ließ sich nicht beirren, er wusste, wie man die Rösser bei so einem Halt behandeln musste.

„Wo kämen wir denn hin, …?“

Der Bauer Huber ging an der Seite vor zur Kutschentür. Der Bischof ließ mit dem Lochriemen das Fenster herab und fragte, was der Bauer wolle?

Josef Huber bat Bischof Rudigier, er möge sich die Kapelle ansehen. Tatsächlich stieg Bischof Rudigier aus und betrat das Innere der Kapelle um sich den Altarraum, die Einrichtung, das Altargitter und alles Übrige anzusehen.

Daraufhin ersuchte Josef Huber, Bischof Rudigier möge dem Bauwerk seinen Segen geben.
Dies geschah auch, der Bischof lobte seine Frömmigkeit, doch es folgten auch mahnende Worte an Josef Huber: „Du bist ein frommer Mann, es wäre aber besser gewesen, du hättest das Geld für den Mariendom in Linz gespendet.“ Er sagte auch: „Wo kämen wir denn hin, wenn sich jeder Bauer seine eigene Kirche baut?“

Vor etwa 36 Jahren besuchte der damalige Bischof Maximilian Aichern im Rahmen einer Pfarrvisitation wieder die Kapelle bei unserem Haus.

Tipp:

Die Kutsche, in der Bischof Rudigier damals unterwegs war, können Sie heute noch im Kutschenmuseum Gruber, einem der größten privaten Kutschenmuseen Österreichs, besichtigen.

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© Diözesanarchiv Linz
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