Für den Bau des Linzer Mariendoms wurden ganze Berge versetzt. Von dem einstigen Steinbruch Steineckl in Maiß bei Altlengbach in Niederösterreich ist heute nicht mehr viel zu sehen. Der Steinbruch wurde damals von der Bischof-Rudigier-Stiftung gekauft und für den Bau des neuen Doms Schritt für Schritt abgetragen. Von dort kommt auch der Hauptbestandteil des Bauwerks, der Altlengbacher Quarzsandstein. Die Steine wurden mühevoll mit Pferdefuhrwerken nach Neulengbach gebracht, wo sie dann auf die Waggons der Westbahn verladen und nach Linz transportiert wurden.
Ein Blick auf damalige Granit-Bestellungen
„Im Sockelbereich und bei tragenden Säulen wurde Neuhauser Granit aus Oberösterreich verwendet. Von dort kam das Material für den Bau und die tiefen Fundamente. Beim Turm betragen diese Tiefen beachtliche 6,5 Meter. Zufällig ist mir bekannt, dass bei den damaligen Bestellungen mit der Beifügung ‚Die Fundamentsteine für den Turm sind extra aus hartem Stein zu liefern‘ ein Sonderwunsch geäußert wurde. Wenn wir heute Granit einkaufen, baut man diesen sowieso in Tiefen von 40 Metern ab, wodurch er automatisch härter ist. Früher war dies aufgrund des Standes der Technik noch nicht möglich, weshalb normalerweise nur die oberen Schichten abgebaut wurden. Für die Fundamentsteine wurde daher extra der harte Stein bestellt“, erklärt Gerhard Fraundorfer, Domhüttenmeister des Linzer Mariendoms. Dieser Spezialwunsch konnte dem Dombauverein damals nur schwer abgeschlagen werden, immerhin hatten sich die Mitglieder auch in den Steinbruch eingekauft.
Steine aus ganz Europa
Im weiteren Gespräch zählt der Domhüttenmeister eine lange Liste der im Dom verarbeiteten Gesteinsarten auf: „Im Außenbereich findet man den Mannersdorfer Riffkalk als gestalterische Zierfriese und den Ettringer Vulkantuff aus Deutschland. Das Ost- und das Westportal sind aus Untersberger Kalkstein. Beim St. Margarthener Kalksandstein aus dem Römbergsteinbruch – im Giebel und den Kreuzblumen des Nordportals zu finden – handelt es sich um eine Steinspende des Kaisers. In der Krypta wurde in großen Mengen Konglomerat aus Kremsmünster verbaut und im Innenbereich des Mariendoms sind die Fußböden aus Solnhofener Plattenkalk. Weiters haben wir eine Vielzahl an verschiedenen Dekormaterialien. Nennenswert sind noch der Marienaltar aus weißem Marmor und der orange-gelbe Kalkstein aus Italien namens ‚Giallo Oro‘. Besonders stolz ist man heute noch auf die Steinspende des Papstes: Aus dem gespendeten Carrara-Marmor fertigten die Steinmetze das Taufbecken im Kapellenkranz.“
Wenn heute Materialien für die laufenden Restaurierungs- und Instandhaltungsarbeiten benötigt werden, kommen diese aus dem Elbsandsteingebirge. Es handelt sich dabei ebenfalls um einen Quarzsandstein, der dem Original hinsichtlich Farbe, Bearbeitbarkeit und Verwitterung sehr nahe kommt.
Der Steinreichtum des Mariendoms hatte seinen Preis
„Zur damaligen Zeit war das ganze Material im Vergleich zu den Arbeitskräften und im Gegensatz zu heute sehr teuer. So waren die Steine, noch dazu im Hinblick auf die schwierigen Transportwege, etwas sehr Kostbares. Gewisse Steine über die Alpen ohne gefestigte Straßen nach Linz zu transportieren, war gar nicht so einfach, wie man sich unschwer vorstellen kann“, schildert der Steinmetzmeister die damaligen Herausforderungen.
Stählern geht’s weiter
„Besonders modern ist der Dachstuhl des Mariendoms aus Stahl. Er lässt lange Spannweiten in schlanker Ausführung zu und das Beste: Er kann nicht brennen, wie beispielsweise Notre-Dame vor ein paar Jahren. Auch der Glockenstuhl für den Dom wurde aus Stahl errichtet, wobei die Aufhängung der Glocke normalerweise aus Eichenholz gefertigt ist. Ein künftiges Projekt wird sein, diese Aufhängung wieder in ein Holzjoch umzubauen. Hier müssen allerdings erst einmal so hohe Bäume gefunden werden. Danach muss das Holz mindestens ein Jahr in der Glockenstube liegen, damit es sich an das Klima anpassen kann. Die große Glocke wiegt über acht Tonnen – diese auf das neue Joch zu heben wird auch noch interessant – aber das ist halb so wild“, erzählt Fraundorfer.
Warum ist der Mariendom für Sie persönlich so faszinierend?
„Ein Bauwerk in dieser Größenordnung ohne Finanzplan und ohne moderne Technologien hinzustellen, finde ich sehr beeindruckend. Wobei auch interessant ist, dass auf der Baustelle stets mit den zur jeweiligen Zeit fortschrittlichsten Geräten, beispielsweise mit Presslufthammern, gearbeitet wurde. Um die Arbeiten zu beschleunigen, wurde ein Kran sogar extra von Chicago nach Linz geholt. Den Gedanken, dass der Dom aufgrund seiner Masse auch noch in 1.000 Jahren stehen wird, finde ich ebenso faszinierend. Da wird es die Menschheit vielleicht schon nicht mehr geben, werden die zum Teil 1,4 Meter dicken Wände noch zu sehen sein“, antwortet der langjährige Leiter der Dombauhütte.
Tipps für den nächsten Mariendom Besuch
„Ich empfehle den Besucherinnen und Besuchern immer, den Dom über das Nordportal und nicht über das Querschiff zu betreten. So hat man das ganze Hallenerlebnis der Kirche – 130 Meter Länge – vor sich. Das wirkt nochmal ganz anders. Außerdem rate ich dazu, sich unbedingt den ganzen Details zu widmen. Der verwendete Werkstein zeichnet sich durch seine gute Bearbeitbarkeit aus. Dadurch konnten sehr feine Darstellungen abgebildet werden. Im Dom haben wir zum Beispiel bei jeder Säule individuelle Kapitelle. Im Innenraum sind außerdem unglaublich viele verschiedene Tiere zu sehen. Hier erzählt man sich die Geschichte, dass alle abgebildeten Tiere irgendwann auf der Baustelle gesichtet wurden. Ob allerdings wirklich ein Krebs vorbeigekommen ist, bleibt fraglich“, schmunzelt Gerhard Fraundorfer zum Abschluss.