Petra Weiss: Seit 2019 bin ich beim Bundesdenkmalamt Landeskonservatorin für Oberösterreich. Neben meiner Tätigkeit als Leiterin betreue ich den Mariendom als Baudenkmalpflegerin. Meinen ersten Berührungspunkt mit dem Dom hatte ich in meiner Studienzeit, als ich darin eine Kunstinventarisierung durchführen durfte. Schon damals habe ich das Bauwerk kennen und schätzen gelernt.
Landeskonservatorin Petra Weiss im Interview:
Welche Projekte laufen derzeit mit dem Mariendom?
Weiss: In den vergangenen Wochen wurde intensiv in der ersten von sieben Kapellen im Kapellenkranz gearbeitet. Schwerpunkt waren dabei die umfangreiche Restaurierung des meterhohen Mosaikbildes und die Reinigung der Raumschale beziehungsweise der Steinoberflächen. Parallel dazu werden weiterhin die Glasfenster restauriert, die im Glasfensterbestand des 19. Jahrhunderts auch international etwas ganz Besonderes sind.
Welche Aufgaben übernehmen Sie in diesem Zusammenhang?
Weiss: Meine Aufgabe liegt darin, die Restaurierungsarbeiten denkmalfachlich zu begleiten. Ich traue mich zu sagen, dass ich zum Bau und zu seiner Ausstattung relativ tiefe Kenntnisse habe. Für mich ist es eine Freude, am Dom zu arbeiten und mit allen, die dort für ihn tätig sind. Die Zusammenarbeit zwischen den Restauratorinnen und Restauratoren funktioniert beim Mariendom ausgezeichnet, weil wir dort ein erstklassiges Team haben, mit dem wir uns fachlich extrem gut und auf sehr hohem Niveau abstimmen können.
Eigentümerinnen und Eigentümer alter Objekte verfolgen oftmals andere Ziele als das Bundesdenkmalamt. Wie gehen Sie mit solchen Interessenskonflikten um?
Weiss: Fachlich wissen wir oft sehr klar, wo die Reise hingehen kann, aber natürlich gibt es dazu oft unterschiedliche Meinungen. Die Kunst der Denkmalpflege liegt darin, einerseits Entscheidungen im Sinne des Denkmals zu treffen und andererseits auch die Interessen der Eigentümerinnen und Eigentümer zu beachten. Mitunter muss man in diesem Fall Kompromisse finden, was das wirklich Herausfordernde, aber auch das Schöne an meinem Beruf ist. Kein Denkmal ist gleich, weshalb ich mich jeden Tag neuen Situationen und Herausforderungen stellen darf.
Woher kommt Ihre Leidenschaft für die Denkmalpflege?
Weiss: Auf mich haben vor allem historische Gebäude, aber auch Kunstgegenstände immer eine große Faszination ausgeübt. Ich habe berufsbegleitend Kunstgeschichte studiert und dabei meinen Schwerpunkt auf Architekturgeschichte und Deckenmalerei gelegt. Es war für mich schon immer klar, dass ich später einmal mit Denkmalpflege zu tun haben möchte.
Welche persönliche Verbindung haben Sie mit dem Mariendom?
Weiss: Ab und zu gehe ich in der Mittagspause, wenn es in der Arbeit gerade ganz stressig ist, in den Dom, um einen kurzen Moment innezuhalten. Die besondere Atmosphäre hilft mir, vom Alltag Abstand zu nehmen und mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das tut sehr gut. Unter anderem ist mir der Mariendom deshalb so wichtig.
Warum ist der Dom fachlich gesehen so etwas Besonderes?
Weiss: Der Mariendom ist in der österreichischen Kunstgeschichte insofern besonders, weil damals im 19. Jahrhundert viele Künstler und Architekten beteiligt waren, wodurch ein Gesamtkunstwerk entstanden ist. Von der Architektur bis hin zu den Ausstattungsstücken ist alles im Mariendom auf sein Patrozinium der Maria — ihr ist der Mariendom geweiht — und auf seine Funktion als Dom für Oberösterreich ausgerichtet. Dieser Gesamtentwurf und dieses Design sind die Besonderheiten, die ihn so herausragend machen.
Warum ist der Denkmalschutz ein wichtiges Thema?
Weiss: Für mich persönlich ist der Denkmalschutz von enormer Bedeutung, weil wir damit jene Objekte schützen, die die Erinnerung unserer Gesellschaft ausmachen. Jedes erhaltene Denkmal trägt zu unserer kollektiven Identität bei. Nur so können wir unsere Geschichte auch für zukünftige Generationen bewahren.
2023 feiern wir 100 Jahre Österreichisches Denkmalschutzgesetz. Welche Veranstaltungen erwarten uns dazu?
Weiss: Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums wird es in ganz Österreich verschiedenste Veranstaltungen rund um unser kulturelles Erbe geben. Am 28. Juni 2023 veranstaltet das Bundesdenkmalamt in der Tabakfabrik Linz ein Fachgespräch unter dem Motto „Gestern.Heute.Morgen“, im Rahmen dessen wir dann auch auf 100 Jahre Denkmalschutzgesetz zurückblicken werden.
Welchen weiteren Projekten blicken Sie freudig entgegen?
Weiss: 2024 feiern wir 100 Jahre Mariendom. Aus diesem Anlass werden wir 2024 gemeinsam mit der Rudigierstiftung und der Katholischen Privat-Universität Linz, Fachbereich Kunstwissenschaft, eine dem Dom gewidmete Publikation herausbringen. Darauf freuen wir uns schon sehr, denn es gibt kunsthistorisch und architekturgeschichtlich gesehen noch keine wirkliche Monografie und Würdigung dieses Bauwerkes. Zum Jubiläum werden wir einen Grundstein dazu legen.